Was Derivate sind und warum sie kritisiert werden

Was Derivate sind und warum sie kritisiert werden
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Derivate sind den meisten Privatanlegern immer noch ein Rätsel. Wir erklären, was es mit den seltsamen Finanzprodukten auf sich hat und warum sie in der Kritik stehen.

Wer sich mit dem Vermögensaufbau beschäftigt, hat vermutlich schon mal von Derivaten gehört. Seid ihr noch am Anfang eurer finanziellen Reise, ist zudem die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ihr nicht genau verstanden habt, worum es dabei geht. Kein Wunder: Derivate sind hochkomplexe Anlageprodukte, die in gleich mehrere Unterkategorien eingeteilt werden. Dabei ist das Grundprinzip gar nicht mal so neumodisch, wie einige englischen Begriffe vermuten lassen.

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Was sind Derivate?

Das Wort stammt von dem lateinischen Begriff “derivare”, welcher nichts anderes als “Ableitung” bedeutet. Der Name ist Programm. Sprechen Anleger nämlich von einem Derivat, meinen sie nichts anderes als ein Finanzprodukt, dessen Preis sich von dem Wert eines Basisprodukts, wie beispielsweise einem Wertpapier, einem Rohstoff oder einer Währung, ableitet. Wer ein Derivat erwirbt, schließt eine Art Vertrag ab, ein bestimmtes Basisprodukt zu einem bestimmten Zeitpunkt für einen vorher festgelegten Preis erwerben zu können oder zu müssen. Somit kann man auf den steigenden oder fallenden Kurs eines Basisprodukts wetten.

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Das Prinzip klingt kompliziert, ist aber mit einem Beispiel leicht zu erklären. Stellt euch vor, Fernando ist überzeugt, dass der Kurs der Apple-Aktie bis zum Anfang nächsten Jahres steigen wird. Anna hingegen ist sich sicher, der Kurs derselben Aktie werde bis dahin gefallen sein. Fernando kauft sich jetzt das Recht von Anna, am 1. Januar Apple-Aktien für jeweils 150 Euro abkaufen zu können. Natürlich kann der Kurs an diesem Tag unter 150 Euro liegen – in diesem Fall hat Fernando Verlust gemacht. Liegt der Kurs jedoch höher, kann er die Aktien nun zu einem niedrigeren Preis erwerben und somit seinen Gewinn realisieren.

Derivate scheinen modern, das Konzept dahinter ist aber so alt, wie der Handel selbst. Schon in der Bronzezeit haben Menschen derartige Termingeschäfte abgeschlossen. Damals wollten sich Bauern vor dem Preisverfall ihrer Produkte schützen und haben deswegen die Käufer dazu verpflichtet, bestimmte Waren, wie zum Beispiel Weizen oder Kartoffeln, für einen vorher vereinbarten Preis zu einem festgelegten Termin zu kaufen – selbst wenn der Wert bis dahin gesunken ist. Heute werden solche Geschäfte seltener zur Absicherung und häufiger zur Spekulation abgeschlossen. Außerdem werden neben Rohstoffen auch Aktien, ganze Indizes, Anleihen, offizielle Währungen, Kryptowährungen und alles mögliche als Basiswerte verwendet.

Mit dem Kauf eines Derivats habt ihr die Möglichkeit, auf einen steigenden (long) oder einen fallenden Kurs (short) setzen. Wenn ihr euren potenziellen Gewinn vervielfachen möchtet, könnt ihr euch für einen sogenannten Hebel entscheiden. Mit einem Hebel von x10 wird euer Gewinn am Schluss verzehnfacht. Mit einem Hebel von x20 würde derselbe bei erfolgreicher Spekulation verzwanzigfacht werden. Allerdings könnt ihr durch die Hebelwirkung auch genauso gut riesige Summen verlieren, wenn die gewünschte Kursentwicklung nicht eintritt.

Arten von Derivaten

Die Bezeichnung “Derivat” ist nur ein Überbegriff für eine ganze Reihe von ähnlichen Finanzprodukten. Die wichtigsten Derivate wollen wir euch hier einmal vorstellen:

Optionen

Optionen sind bedingte Termingeschäfte. Optionen, öfter auch als Optionsscheine bezeichnet, zwingen den Käufer nicht dazu, den Basiswert schlussendlich zu kaufen. Er hat im Vornherein nur das Recht erworben, den Basiswert zu kaufen, muss dieses aber nicht geltend machen. Anders sieht es für den Verkäufer aus: Dieser muss den Basiswert verkaufen, wenn die andere Partei es verlangt.

Futures

Futures, im deutschen besser bekannt als Terminkontrakte, unterscheiden sich dahingehend von den Optionen, dass der Kauf für den Käufer verpflichtend ist. Wer ein Future erwirbt, kann also nicht mehr von dem Geschäft zurücktreten. Sie werden deswegen auch als unbedingte Termingeschäfte bezeichnet. Das kommende Glück oder Übel kann nur vermieden werden, wenn man den Kontrakt vorzeitig an eine andere Person weiterverkauft.

CFDs

CFDs werden auch als Differenzkontrakte bezeichnet und ermöglichen dem Anleger, auf die Entwicklung eines Basiswerts zu wetten. Diese “Contracts for Difference” können nur außerbörslich gehandelt werden und sind in der Regel ausschließlich bei speziellen CFD-Brokern erhältlich. Die Handelszeiten sind aufgrund dessen nicht beschränkt und der Markt rund um die Uhr geöffnet.

Zertifikate

Zertifikate sind Schuldverschreibungen einer herausgebenden Bank. Wie auch bei Optionen, Futures und CFDs wetten Anleger hierbei auf die Kursentwicklung eines Basiswerts. Da Zertifikate immer von Banken ausgehändigt werden, existiert ein Emittentenrisiko, dem sich Investoren bewusst sein sollten. Eine Form dieser speziellen Schuldverschreibungen stellen die ETCs (Exchange Traded Commodities) dar, mit denen in einzelne Rohstoffe investiert werden kann.

Swaps

Unter den Derivaten zählen Swaps, in Deutschland auch als Tauschgeschäfte bekannt, zu den Sonderlingen. Im Gegensatz zu Termingeschäften haben Swap-Geschäft keine Basiswerte sondern Zahlungsströme als Basis. Wie der Name schon verrät, tauscht man Zahlungsströme wie Zinsen, Währungen oder Kredite über einen festgelegten Zeitraum aus. Auch hierbei geht es wieder darum, auf eine bestimmte Wertentwicklung zu wetten.

Kritik

Die einzelnen Derivate-Typen können bei verschiedenen Banken oder Online-Brokern gehandelt werden. Finanzeinsteigern möchten wir aber unbedingt zur Vorsicht raten. Derivate sind komplex und für Anfänger nur schwer zu durchschauen. Wer sich ohne Vorkenntnisse ins Abenteuer stürzt, steht vor dem Risiko, schneller als bei gewöhnlichen Aktien, einen Totalverlust seines Geldes zu erleiden – oder noch schlimmer. Viele Menschen hoffen bei Derivaten auf den schnellen Reichtum. Der ursprüngliche Sicherheitsgedanke steht nur noch bei wenigen Anleger im Vordergrund.

Vom Investmentrisiko abgesehen, kommen jede Menge Kosten auf Derivate-Käufer zu, die auf den ersten Blick nicht erkenntlich sind. Je nachdem welche Art von Derivaten man erwirbt, fallen unterschiedlich hohe Gebühren an. Inwiefern Anleger an Gewinnen beteiligt werden, sollte im Vornherein genauestens überprüft werden. Außerdem ist es wichtig zu wissen, dass Banken und Broker mit bestimmten Techniken arbeiten, um selbst auch Geld durch eine Transaktion zu verdienen. So kommt es bei einigen Anbieter zu ungünstigen Spreads, also einer nachteiligen Spanne zwischen An- und Verkaufspreis, die dem Anleger zusätzliche Kosten beschert. Derartige Spreads kommen besonders häufig bei kleineren Unternehmen zustande, da sich nicht sofort eine Gegenpartei für den Derivate-Handel finden lässt.

Doch nicht nur aufgrund des persönlichen Risikos stehen Derivate in der Kritik. Da sich die Anlageprodukte von anderen Produkten ableiten, schwillt das Volumen an den Finanzmärkten künstlich an. Mit einer natürlichen Wirtschaftsentwicklung hat das nichts mehr zu tun. Die Folge: Preise, bei zum Beispiel Rohstoffen, schießen so stark in die Höhe, dass ärmere Regionen in tiefe Hungersnöte gerissen werden.

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