Hohe Zinsen, Bankenkrise und Inflation: Trotz der aktuellen Wirtschaftslage ist die Börse im Aufwind. Die US-Bank JPMorgan warnt Anleger vor zu viel Euphorie.
Die Kurse steigen, doch Investoren sollten sich nicht zu früh freuen. Bankenturbulenzen, ein Ölschock und eine Verlangsamung des wirtschaftlichen Wachstums könnten Aktien wieder in Richtung ihrer Tiefststände von 2022 schicken, befürchtet JPMorgan-Analyst Marko Kolanociv.
“Die US-Notenbank hat keine Absicht bekundet, die Zinssätze in diesem Jahr zu senken, und dennoch erleben Risikoanlagen eine beispiellose Rallye. Europäische Aktien werden nahe Allzeithochs gehandelt und US-Aktien machen die jüngsten Verluste wieder wett”, zitiert Bloomberg Kolanovic aus einer Kundenmitteilung. “Wir gehen davon aus, dass sich die Risikostimmung umkehren und der Markt in den kommenden Monaten den Tiefststand des vergangenen Jahres erreichen wird.”
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Zuflüsse in Aktien ergeben “wenig Sinn”
Laut Kolanovic machen die Zuflüsse in Aktien in den vergangenen Wochen “wenig Sinn” und wurden weitgehend von systemischen Anlegern, einem Short Squeeze und einem Rückgang des Cboe Volatility Index (VIX) angetrieben. Ein Rückgang des VIX unter 20, ein Niveau, das mit weniger stressigen Phasen verbunden ist, deutet darauf hin, dass die Anleger glauben, dass die Bankenkrise in naher Zukunft eingedämmt wird. Kolanovic bezeichnet das aktuelle Marktumfeld jedoch als „die Ruhe vor dem Sturm“.
Trotz Bankenkrise und steigender Zinsen haben sich die Märkte in diesem Jahr bisher gut behauptet. Der S&P 500 stieg im ersten Quartal um sieben Prozent, nachdem er 2022 um fast 20 Prozent gefallen war. Die Gewinne von Technologiewerten ließen den Nasdaq 100 um 20 Prozent zulegen, womit sich dieser in einem technischen Bullenmarkt befindet.
“Es ist erwähnenswert, dass die Risikostimmung einer Ziehharmonika glich, bei der restriktive Zinssätze ein Problem für verschiedene Carry Trades darstellten und der darauffolgende Rückzug der Renditen einen Teil des Stresses milderte”, so Kolanovic. Carry Trades sind Geschäfte, bei denen Händler Preisunterschiede ausnutzen. Ein Akteur leiht sich beispielsweise Geld in einem Land mit niedrigen Zinsen und legt dieses Geld in einem Land mit hohen Zinsen an. Die Zinsdifferenz spiegelt den Gewinn wieder.
“Obwohl die Zentralbanken immer noch kommunizieren, gibt es noch viel zu tun, um die Inflation zu bekämpfen und sich gegen die Annahme des Marktes von Zinssenkungen zu wehren. Dann kann die ursprüngliche Quelle des Stresses, nämlich die längerfristig höheren Zinssätze, wieder ins Spiel kommen”, glaubt der JPMorgan-Stratege.