Das Ostafrikanische Land Somalia ist für seine florierende Piraterie bekannt. Doch wusstet ihr auch, dass es dort eine eigene “Piratenbörse” gibt?
Für viele Finanzexperten begann die erste Blütezeit der Börse mit der Niederländischen Ostindien-Kompanie. Die Kompanie segelte im 17. Jahrhundert durch die Weltmeere und kontrollierte den Gewürzhandel von Indien nach Europa. Um die mehr als 4000 Schiffe und die zahlreichen Seefahrten zu finanzieren, gab das Unternehmen Aktien aus. Die Investoren konnten damals in die Schiffsreisen der Kaufleute investieren und wenn die Handelsfahrt erfolgreich verlief, erhielten die Anleger einen Teil des Gewinns.
Somalia: Investieren in Piratenraubzüge
In Somalia erlebt das Geschäftsmodell der Ostindien-Kompanie momentan eine Art Wiedergeburt – allerdings mit einem Hauch von Kriminalität. In der Fischerstadt Harardheere existiert seit dem Jahr 2009 eine Börse für moderne Piraterie. Anleger können dort in die Raubzüge der örtlichen Piraten investieren. Verläuft eine Mission erfolgreich, dürfen sich die Investoren über einen Anteil des Gewinns freuen.
Was absurd klingt, hat sich über die Jahre zu einem boomenden Geschäft entwickelt. Nicht nur Privatpersonen, sondern auch Regierungsbeamte sollen angeblich an der Piratenbörse investieren, um damit öffentliche Schulen, Krankenhäuser und weitere Infrastrukturen zu finanzieren. In 2011 soll sich die kleine Ortschaft an der Ostküste Somalias, scheinbar über Nacht, zu einer Stadt voller Luxusautos entwickelt haben.

Mohamed Adam, ein örtlicher Sicherheitsbeauftragter, erklärt gegenüber Reuters: “Piraterie-Unternehmen haben sich zu dem profitabelsten Geschäft in unserer Region entwickelt und als Bürger sind wir von ihren Erträgen abhängig.” Ein ehemaliger Pirat verrät, dass jeder Mensch an den Börsengeschäften teilhaben kann. Wie aus einem Beitrag des Wall Street Journal hervorgeht, können Investoren die Piraten mit Waffen, Essen, Benzin, Informationen oder einfach nur Geld ausstatten.
Sind die Piraten vollständig versorgt, beginnt der Angriff auf ein zuvor ausgewähltes Containerschiff. Verläuft der Überfall nach Plan, befinden sich jetzt einige Geiseln im Besitz der Freibeuter. Invstr zufolge verdienen die Piraten mit einer Geisel durchschnittlich 4 Millionen US-Dollar (rund 3,5 Millionen Euro).
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Eine Frau soll einst eine RPG-7 an der Piratenbörse investiert haben, wodurch sie im Gegenzug 75.000 US-Dollar erhielt. Wie viele illegale Geschäfte jährlich in Haradheere getätigt werden, darüber sind nur wenige Statistiken verfügbar. Laut WSJ sollen aber mindestens 72 unterschiedliche Operationen an der örtlichen Börse gelistet sein. Damit macht das Geschäft mit der Piraterie einen großen Anteil des afrikanischen Handels aus. Allein in Somalia sollen sich aktuell 20 Schiffe und 400 Geiseln in Gefangenschaft befinden, wie die Internationale Handelskammer verrät.
Im den Jahren 201o bis 2011, als die Börse von Haradheere größere Bekanntheit erlangte, befand sich die Piraterie auf einem Allzeithoch. Laut Statista registrierte man in diesem Zeitraum insgesamt 884 Angriffe auf Schiffe aus der ganzen Welt. Stück für Stück ließ das Interesse an den Überfällen während der letzten Jahre aber nach, weshalb man von 2012 bis 2013 nur noch 561 Coups verzeichnete. Im Jahr 2020 fiel die Zahl dann auf gerade mal 195 Beutezüge.
Noch heute profitiert die Börse der Fischerstadt von einem regen Handel. Solange die Piraterie in Somalia nicht ein für alle mal gestoppt wird, werden die Geschäfte wohl auch in Zukunft fortgeführt. Die Gründe für den Schritt in die See-Kriminalität sind vielfältig. Die meisten jungen Männer treten den Piratenbanden bei, um der landesweiten Armut oder der Rekrutierung durch Terrorgruppen zu entgehen.