Das Bezeichnung “ESG” soll Anlegern dabei helfen, nachhaltige Fonds und ETFs auszuwählen. Doch viel mit Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit hat das Label eigentlich nicht am Hut.
Die Abkürzung ESG steht für “Environmental, Social und Governance”. Fonds, die mit diesem Titel ausgestattet sind, versprechen ihren Anlegern, nur solche Aktien aufzunehmen, hinter denen umweltbewusste, soziale und gut geführte Unternehmen stehen. Es geht also um Nachhaltigkeit bei der Geldanlage.
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ESG: Fondsanbieter unter “Greenwashing”-Verdacht
Doch wie nachhaltig ESG-Produkte wirklich sind, darüber lässt sich streiten. Erst Ende Mai kam es bei dem deutschen Vermögensverwalter DWS Group zu einer Razzia. Grund für die Fahndungsaktion waren die sich anhäufenden Vorwürfe des “Greenwashings”. Den Anschuldigungen zufolge soll die DWS Anlageprodukte als grüner und nachhaltiger verkauft haben als sie es eigentlich sind – ein Fall von Kapitalanlagebetrug.
Ob die Vorwürfe gegen den Vermögensverwalter gerechtfertigt sind, muss noch geprüft werden. Sicher ist aber, dass die DWS nicht als einziges Unternehmen in der Kritik steht. Im Juni diesen Jahres geriet auch die Investmentbank Goldman Sachs ins Visier der staatlichen Instanzen. Den Ermittlungen, welche von der US-Aufsichtsbehörde SEC eingeleitet wurden, liegen hierbei ebenfalls Vorwürfe des Greenwashings zugrunde.
Schon Monate vor den Ermittlungen bezeichnete Multi-Milliardär Elon Musk das ESG-Label als “Schwindel”. Auslöser für die Kritik war der Vorfall, dass sein Unternehmen Tesla, das sich auf die Herstellung und den Verkauf von Elektroautos konzentriert, aus dem S&P 500 ESG-Index flog – der Mineralölkonzern Exxon Mobil jedoch bleiben durfte.
Die S&P-Analystin Margaret Dorn erklärte die Entscheidung damals mit Rassismus-Vorwürfen gegen Tesla, Klagen über schlechte Arbeitsbedingungen in den Fabriken und Unfällen in Verbindung mit dem Fahrassistenten. Ein weiterer Grund für das Ausscheiden des Unternehmens läge außerdem darin, dass sich der Rest der Autobranche verbessert habe, wodurch Tesla im Vergleich abgerutscht sei.
ESG: Was nachhaltig ist, bestimmen die Fondsanbieter
Inwieweit das Ausscheiden Teslas aus dem Index gerechtfertigt ist, sei mal dahingestellt. Fakt ist aber, dass die vielen Komplikationen in Verbindung mit dem ESG-Label kein Zufall sind. Das Problem liegt schlichtweg in dem Bewertungssystem, dass hinter den Nachhaltigkeitsfaktoren steht. Denn dieses ist alles andere als plausibel.
Ob ein Unternehmen die Bezeichnung “ESG” verdient hat, bestimmen verschiedene Ratingagenturen. Das können Indexanbieter wie der eben genannte S&P oder die Fondsanbieter selbst sein. Allerdings bedienen sich die Ratingagenturen bei der Analyse alle an unterschiedlichen Methoden, die sich teils stark voneinander unterscheiden. So kann es vorkommen, dass ein Unternehmen von der einen Agentur als nachhaltig bewertet wird, von der anderen jedoch nicht.
Noch problematischer ist die Tatsache, dass der Begriff “Nachhaltigkeit” in der Finanzbranche keiner klaren Definition unterliegt. Wie die Bewertung der Unternehmen zustande kommt, ist deshalb schwer nachzuvollziehen. Zwar scheuen sich die Ratingagenturen nicht davor, ihre Bewertungsmethode offenzulegen, doch ob diese wirklich auf Nachhaltigkeit fußt, so wie die Allgemeinheit den Begriff definieren würde, steht auf einem anderen Blatt.
Studie enthüllt: Nur wenige Fonds sind wirklich nachhaltig
So kann es passieren, dass in einem vermeintlich nachhaltigen Fonds auch mal Öl- und Gaskonzerne, Tabakhersteller oder Waffenhändler auftauchen. In einer Studie untersuchten die Nicht-Regierungsorganisationen Facing Finance und Urgewald 2.000 Fonds des Finanzmarkts. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass nur 104 aller Fonds beim Thema Nachhaltigkeit gänzlich unbelastet sind. 650 bezeichnen sich zwar selbst als “nachhaltig”, investieren aber oft in Unternehmen, die durch Treibhausgas-Emissionen der Umwelt schaden oder andere Nachhaltigkeitsfaktoren verletzen.
Bei ihrer Untersuchung stach den NGOs ein Fonds ganz besonders ins Auge: Der “MSCI Europe Energy ESG Screened” von DWS. Dieser besteht nämlich zu 100 Prozent aus Öl- und Gasunternehmen. Von erneuerbaren Energien wie Wind- und Wasserkraft keine Spur. Es ist fast schon komödiantisch, mit welcher Dreistigkeit der deutsche Anbieter das ESG-Label auf seinen Fonds klebte.
Anleger sollten ESG-Fonds genaustens prüfen
Wer bei seiner Geldanlage nicht auf nachhaltige Fonds bzw. ETFs verzichten möchte, sollte einen scharfen Blick auf die darin enthaltenen Unternehmen werfen. Des Weiteren lohnt es sich vor dem Kauf zu prüfen, ob die Auswahlkriterien des Fondsanbieters mit dem eigenen Verständnis von Nachhaltigkeit übereinstimmen.
Schlussendlich geht es den Fondsanbietern nicht darum, die Welt zu retten, sondern ihre Einnahmen zu steigern. Und mit den Themen Klimaschutz und soziale Verantwortung lässt sich nun mal, zumindest in der Finanzbranche, viel Geld verdienen. Das beweist z.B. der “iShares MSCI World ESG Enhanced”-ETF, welcher schon nach knapp drei Jahren am Markt ein Fondsvolumen von 2,9 Milliarden US-Dollar umfasst.
Ob der Kauf nachhaltiger Fonds in den kommenden Jahren einfacher wird, ist fraglich. Zwar arbeitet die Europäische Union stetig an Regulierungen für die Fondsanbieter, große Veränderungen ließen sich dadurch aber noch nicht herbeiführen. Kritiker betrachten die Schritte der EU außerdem als zu zögerlich. Immerhin ist es Fondsanbietern in der sogenannten EU-Taxonomie z.B. weiterhin gestattet, Gas- und Atomenergie-Aktien aufzunehmen, ohne das ESG-Siegel dabei zu verlieren.