“Sind Kryptos das Zahlungsmittel der Zukunft?” Mit dieser Frage wagten wir uns an 8 Finanzexperten. Die Antworten fielen teils sehr unterschiedlich aus.
Kryptowährungen bilden zweifellos eines der größten Streitthemen der Finanzwelt. Aktienlegende Warren Buffett erklärte einmal, er würde alle Bitcoins der Welt “selbst für 25 Dollar nicht kaufen”. Tech-Investorin Cathie Wood glaubt hingegen, dass die dezentralisierten Währungen eine echte Geldrevolution in der Zukunft hervorrufen werden.
Ob die Krypto-Kritiker oder die Fürsprecher richtig liegen, werden wohl erst die nächsten Jahre und Jahrzehnte offenbaren. Bis dahin sollten wir aber nicht aufhören, fleißig über die Zukunft von Bitcoin, Ethereum, Cardano und Co. zu diskutieren. Um unterschiedliche Standpunkte betrachten zu können, haben wir mehrere Finanzexperten gefragt, wie sie die Zukunft der Kryptowährungen einschätzten. Das sind ihre Antworten:
Celine Nadolny (Book of Finance)

“‘Sind Kryptos das Zahlungsmittel der Zukunft?’ Das ist natürlich eine Frage, die niemand seriös mit Ja oder Nein beantworten kann. Wenn ich die Glaskugel im Schrank stehen lasse, stellt sich für mich zunächst einmal die Frage, was wir unter ‚Kryptos‘ verstehen: Sind es die aktuell handelbaren Währungen oder nur die Altcoins oder schließen wir da auch staatlich teilweise realisierte und in weiten Teilen noch geplante Emissionen mit ein?
Wovon ich überzeugt bin, ist, dass unser Zahlungsverkehr zunehmend digitaler wird. Nicht zuletzt auf dem ersten Teil meiner Weltreise durch Skandinavien habe ich am eigenen Leibe die Vorteile des beinahe durchgehend bargeldlosen Zahlungsverkehrs zu schätzen gelernt. Ein Trend, der sich – auch im Interesse der Staaten und Zentralbanken – sicherlich weiter fortsetzen wird.
Ob aber nun Kryptowährungen die heutigen Kartenzahlungen und den digitalen Zahlungsverkehr flächendeckend ablösen werden, würde ich mir nicht anmaßen zu prognostizieren. Insbesondere im Hinblick auf die oben aufgebrachte Definitionsfrage, was denn der Begriff ‚Kryptos‘ umfasst. Dafür stehen rund um dieses Thema noch viel zu viele ungeklärte Fragen und politische Risiken im Raum. Eine solche Spekulation überlasse ich dann doch lieber denen, die gerade die Glaskugel vor sich befragen oder im Kaffeesatz rühren.”
Dr. Eduard Metzker (Mit Rückenwind)

“Ich beschäftige mich seit 2016 aktiv mit Crypto Assets und die Geschwindigkeit der Entwicklung allein in den letzten 2 Jahren war atemberaubend. Mittlerweile sind die Handels- und Zahlungsplattformen für Crypto Assets fast genauso einfach zu nutzen wie die gewohnten Systeme für traditionelle Assets.
Trotzdem sind Crypto Assets im Moment nur eine Ergänzung des aktuellen Systems von Zahlungsmitteln. Als Zahlungsmittel werden sie noch von einer relativ kleinen Anzahl von crypto-begeisterten frühen Adaptoren eingesetzt.
Ich denke allerdings, dass sie auf globaler Ebene schon in den nächsten 10 Jahren traditionelle Zahlungsmittel in ihrer Bedeutung überholen werden. Der Treiber für die Anwendung als Zahlungsmittel werden dabei weniger ‘wir’, der sogenannte ‘Globale Norden’ sein. Schließlich haben wir (noch?) stabile Fiat-Währungen und ein für die meisten Einwohner zugängliches Bankensystem.
Im ‘Globalen Süden’ können Crypto Assets aber fragile und inflationäre nationale Zahlungsmittel ersetzen. Erste Länder dieser Gruppe haben beispielsweise bereits Bitcoin zum legalen, staatlich anerkannten Zahlungsmittel erklärt. Die zugehörigen Decentralized Finance (DeFi) Dienste können in diesen Ländern auch das zähe Ausrollen eines klassischen Bankensystems überflüssig machen.
Gefährlich wird diese Entwicklung vor allem für die klassischen Intermediäre wie Banken und zentralisierte Handelsplattformen. Ihre Bedeutung wird in den nächsten Jahren weiter abnehmen. Für mich ein Grund kein Geld in diesen Sektor zu investieren.”
Thomas Brantl (Aktien für jedermann)

“Für mich ist die Blockchain-Technologie, auf der Kryptowährungen basieren, ohne Zweifel eine zukunftsträchtige Technologie. Sie ermöglicht sichere und nachvollziehbare Transaktionen, die Betrug oder Manipulation – Stand heute – unmöglich machen. Außerdem sind keine zentralen ‘Organisationen’ wie Banken oder Staaten involviert. Dezentrale Blockchain-Lösungen schaffen also unabhängige Zahlungs- und Transaktionslösungen. Sicherheit und Unabhängigkeit – zwei Punkte, weshalb Kryptowährungen in meinen Augen eine goldene Zukunft bevorstehen könnte.
Doch es gibt Organisationen, denen die Unabhängigkeit von Kryptos ein Dorn im Auge sein könnte, da sie bei einer immer stärkeren Verbreitung von Bitcoin und Co. ihren Einfluss verlieren: Die Rede ist von Zentralbanken und Staaten. Dezentrale Lösungen basierend auf der Blockchain berauben Regierungen und deren Zentralbanken um die Möglichkeit geldpolitischer Steuerungsinstrumente. Damit haben Bitcoin, Ethereum und Ripple einen ernstzunehmenden Gegner, der auch uns Investoren das Leben schwer machen könnte.
Mein Fazit: Die Blockchain bietet gerade im Finanzbereich zahlreiche Vorteile gegenüber zentral verwalteten Systemen, weshalb sie in meinen Augen eine Menge Zukunftspotential besitzt. Investments in einzelne Kryptowährungen habe ich derzeit jedoch nicht. Zum einen stecke ich zu wenig in der Materie, zum anderen fürchte ich ungünstige Einflüsse durch staatliche Regulierungen. Stattdessen fokussiere ich meine Investments in diesem Bereich derzeit auf Unternehmen, die an der Infrastruktur der Blockchain im Fintech-Sektor arbeiten – zum Beispiel die Block-Aktie und die Coinbase-Aktie.”
Richard Hör (Cryptotant)

“Ein Zahlungsmittel sind die heutigen Kryptowährungen meiner Meinung nach nicht und werden sie in Zukunft auch nicht werden.
Damit eine Währung als Zahlungsmittel gilt, bedarf es drei Grundeigenschaften: Es muss allgemein akzeptiert werden, gut teilbar sein und über die Zeit seinen Wert behalten. Auch wenn ich dem Bitcoin sehr positiv gegenüberstehe, sehe ich die Akzeptanz und Wertstabilität von Kryptowährungen im Zusammenhang als Zahlungsmittel kritisch.
Zwar gibt es immer mehr Akzeptanzstellen für die Krypto-Leitwährung, durch die Limitierung auf 21 Mio. BTC und dem damit einhergehenden deflationären Charakter fehlen jedoch jegliche Anreize den Bitcoin als Zahlungsmittel einzusetzen und gegen Waren und Dienstleistungen zu tauschen.
Daher bin ich der Meinung, dass die heute verfügbaren Kryptowährungen entweder als Absicherung gegen das Finanzsystem (Bitcoin) oder aber als reines Spekulationsobjekt (Altcoins) dienen.
Allerdings glaube ich fest daran, dass von Staaten verwaltete Kryptowährungen zukünftig als Zahlungsmittel verwendet werden. Das Stichwort ist CBDC (Central Bank Digital Currencys) welche von Zentralbanken ausgegeben und verwaltet werden. Die Vorteile des digitalen, auf Kryptographie basierenden Geldes überwiegen für die Herausgeber so stark, dass Staaten und Behörden davon Gebrauch machen werden.
Durch die Herausgabe und Verwaltung von offizieller Stelle wird eine Akzeptanz wie bei dem heutigen Fiat-Geld erreicht. Zudem kann mit der Technologie problemlos das heutige Finanzsystem abgebildet und ‘optimiert’ werden. Durch aktives Regulieren und Anpassen kann in Sekundenschnelle in das Geschehen eingegriffen werden. Eine Umsetzung von z.B. Minuszinsen wäre mit den ‘Zentralbank Kryptos’ ein leichtes, dem sich niemand entziehen könnte. Eine Einführung einer CBCD durch die EZB soll bereits bis 2026 erfolgen. Bis dahin und vermutlich darüber hinaus werde ich mich weiter mit Bitcoin gegen das aktuelle Finanzsystem absichern.”
Prof. Dr. Hartmut Walz (Hartmut Walz Finanzblog)

“‘Sind Kryptos das Zahlungsmittel der Zukunft?’ – Die Antwort wird leichter, wenn man sich auf eine Definition von Kryptowährungen verständigt hat. Und hier gibt es ein heilloses Durcheinander. Daher empfehle ich zumindest die klare Unterscheidung zwischen zwei Teilbereichen:
Zum einen Kryptowährungen im engeren Sinne als von privater Hand geschaffenem Geld wie z.B. Ethereum, Tether, Bitcoin oder Ripple.
Zum anderen digitalem Zentralbankgeld, welches von einer staatlichen Institution ausgegeben wird und auch makroökonomische Steuerungsfunktionen wie z.B. Regulierung des Wirtschaftswachstums und der Inflation besitzt. Einige Zentralbanken haben ja bereits Digitalgeld eingeführt oder stehen direkt vor deren Einführung. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass digitales Zentralbankgeld in wenigen Jahren innerhalb der meisten Währungsräume stark an Bedeutung gewinnt.
Erheblich unsicherer fühle ich mich in der Einschätzung von Kryptowährungen im engeren Sinne, also privat initiierten Digitalgeld. Zweifellos wünschen sich viele Menschen ein vollständig anonymes digitales Bezahlen und private Währungen, die nicht einer staatlichen Regulierung oder Geldpolitik unterworfen sind.
Jedoch ist es nicht unwahrscheinlich, dass Regierungen private Kryptos entweder schlicht verbieten oder so stark regulieren, dass diese faktisch uninteressant und nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass sich Herrschende und Mächtige in ihrem Einflussbereich das Währungsmonopol sicherten. Warum sollten heutige Regierungen und Zentralbanken dieses Monopol kampflos aufgeben, wenn private Kryptowährungen vom Spieltisch an den Erwachsenentisch kommen und dort mitagieren wollen?
Die Geldpolitik der Zentralbanken wäre in diesem Szenario schnell am Ende. Auch wenn eine Prognose nicht wirklich leistbar ist, glaube ich persönlich eher an die Zukunft digitalen Zentralbankgeldes als an eine nachhaltige Verbreitung privater Kryptowährungen.”
Dr.-Ing. Felix Berteloot (KryptoFelix)

“Sonntags Brötchen holen und dabei mit Bitcoins bezahlen? Schöne Vorstellung. Aber werden Kryptos bald den Euro im Alltag ablösen? Warum ich das nicht glaube, erfährst du hier:
Kryptowährungen wie Bitcoin und Co. sind großartige Erfindungen, haben aber gleich mehrere Nachteile, die sich von Kryptowährung zu Kryptowährung unterscheiden: Manche Kryptos eignen sich nicht wenn viele Menschen gleichzeitig zahlen möchten. Andere sind sehr teuer in der Verwendung als Zahlungsmittel. Außerdem sind die meisten Kryptos schwankungsanfällig. Unpraktisch, wenn sich mein Geld auf dem Weg zum Bäcker halbiert, oder?
Außerdem gefällt Staaten und Zentralbanken gar nicht, wenn sich alternative Zahlungsmittel aufmachen, sie abzulösen. Gleichzeitig unterschätzt der ein oder andere Kryptoanarchist regelmäßig die Macht dieser Institutionen.
Trotzdem werden Kryptowährungen bleiben. Und das mit Sicherheit. Denn auch wenn sie den Euro nicht ersetzen, können sie viel mehr: Sie können in Sekundenschnelle auf die andere Seite der Erde überwiesen werden und funktionieren als Treibstoff für dezentrale Anwendungen.
Sobald sich die Erkenntnis durchsetzt, dass über eine Blockchain nicht nur Katzenbildchen verkauft werden können, sondern prinzipiell auch Aktien oder Immobilien, nehmen Kryptos ihren festen Platz ein: Als alternative Anlageklasse, als Ressource und als Zahlungsmittel – aber letzteres eben vor allem als Hilfsmittel für Anwendungen, die eine Blockchain benötigen.”
Oliver Widmann (Gut veranlagt?!)

“‘Sind Kryptos das Zahlungsmittel der Zukunft?’ Müsste die Frage eigentlich nicht eher lauten: Sind Kryptos überhaupt ein ernstzunehmendes Zahlungsmittel? Und, wenn sie es derzeit nicht sind, könnten sie sich zukünftig zu einem solchen entwickeln?
Mittlerweile wissen wir ja schon ganz gut, was Kryptos alles nicht können: Sie sind keine Alternative zu Aktien, da sie sich nicht antizyklisch zum Aktienmarkt, insbesondere auch nicht zu den Tech-Aktien, verhalten. Als Inflationsschutz und langfristiger Aufbewahrungsspeicher für Vermögen taug(t)en sie bisher aufgrund der hohen Volatilität ebenfalls nicht.
Aber taugen Kryptos denn absehbar als Zahlungsmittel? Etablierte Zahlungsanbieter wie PayPal haben ja bereits damit begonnen, Kryptos in ihre Services zu integrieren. Und, man höre und staune, Media-Markt hat im Rahmen eines Pilotprojektes in drei (!) Elektromärkten Bitcoin-Automaten aufgestellt. Eine derartige “Integration” von Kryptos betrachte ich als reines Marketing-Gimmick.
Bei Media-Markt kann man demzufolge auch nicht direkt mit Bitcoins zahlen. Stattdessen muss man vorher eine entsprechende Menge in Euro zurücktauschen. Und bei PayPal geht es eigentlich auch nur darum, Transaktionen mit Bitcoins zu vereinfachen. Denn: für größere Mengengerüste ist die Abwicklung einfach noch zu aufwändig und, last but not least, zu energieintensiv. Gerade bei letzterem Aspekt erwarte ich baldigen ordnungspolitischen Gegenwind für die Krypto-Szene, Stichwort: Energiekrise.
Aber, man soll ja niemals nie sagen! Vielleicht wird also in naher Zukunft eine Krypto-Währung mit einem Protokoll entwickelt, bei der der verwaltungstechnische Overhead so gering ist, dass eine wirkliche Konkurrenz zu etablierten Zahlungsmitteln entsteht.
Was bleibt also? Kryptos taugen derzeit ausschließlich als reines Spekulationsobjekt! Zumindest, solange es noch jemanden da draußen gibt, der ihnen einen Wert beimisst.”
Karina Metzdorf (Börse in Pink)

“Was macht ein Zahlungsmittel aus? Unser heutiges Geldsystem gibt uns die Antwort: es muss in großer Menge verfügbar sein; Zahlvorgänge müssen schnell, kostenfrei und anonym ausführbar sein und alle Menschen müssen Vertrauen in den Wert haben. Der Staat hat das Währungsmonopol. Er ermächtigt die Notenbank, die Geldmenge zu regulieren.
So war es über viele Jahrhunderte und so ist es bis heute. Aber das Vertrauen der Menschen in das staatliche Geld und die Notenbanken schwindet. Wer heute der galoppierenden Inflation entkommen will, flieht in Kryptowährungen.
Kryptowährungen sind ein öffentliches Gut auf dezentralen Datenbanken, das ohne Zentralinstanzen wie Staat, Notenbanken oder Geschäftsbanken auskommt. Bitcoin, die Kryptowährung mit der derzeit größten Marktkapitalisierung, wurde erfunden, um ein dezentrales elektronisches Zahlungsmittel zu sein.
Noch gibt es Nachteile gegenüber Bargeld: Bitcoin-Transaktionen sind langsam, es können nur wenige Transaktionen pro Zeiteinheit geleistet werden und sie kosten viel Energie. Damit ist Bitcoin (noch) ungeeignet als Zahlungsmittel der Zukunft. Aber diese technischen Nachteile werden gelöst werden: vielleicht nicht durch Bitcoin, aber sicher von seinen vielen Nachfolgern. Als Wertaufbewahrungsmittel werden Kryptowährungen bereits heute von Millionen Menschen genutzt und es gibt jetzt schon viele Finanzdienstleistungen im Kryptospace, die früher allein Banken vorbehalten waren.
Ich sehe einen Machtkampf zwischen staatlichen und überstaatlichen Instanzen und den privat emittierten, anonymen Kryptowährungen um die Vorherrschaft als Zahlungsmittel voraus. Dies beginnt bereits mit dem Verbot von Anonymität im Kryptospace und mit Ideen für digitales Zentralbankgeld. Aber ich bin sicher, dass Kryptowährungen alle technischen und regulatorischen Hürden überwinden werden und das Zahlungsmittel der Zukunft sein werden.”