“Sollte man Einzelaktien oder ETFs kaufen?” Mit dieser umstrittenen Frage wendeten wir uns an 7 Finanzexperten, die alle sehr aufschlussreiche Antworten lieferten.
Wer mit dem Investieren in Aktien beginnen möchte, muss sich früher oder später die Frage stellen, ob er Einzelaktien oder ETFs kaufen will. Leicht ist diese Entscheidung keineswegs, wird doch selbst in der Finanzbranche hart darüber gestritten. Auch ist sie von den Präferenzen jedes einzelnen Anlegers abhängig. Wenn du dir selbst nicht sicher bist, für welche Form der Geldanlage du dich entscheiden sollst, können wir mit diesem Betrag vielleicht ein wenig Hilfe leisten.
Vor wenigen Wochen kontaktieren wir 7 Finanzexperten mit der Frage: “Sollte man Einzelaktien oder ETFs kaufen?” Kurze Zeit später erhielten wir die verschiedensten Antworten. Die einzelnen Standpunkte möchten wir dir hier vorstellen:
Thomas Vittner (thomasvittner.com)

“Die Frage, ob man besser in Einzelaktien oder in Sammelanlagen investiert, hängt von mehreren Faktoren ab. Zunächst muss der Anleger wissen, wie viel Zeit er in das Thema Geldanlage stecken will. Denn es liegt auf der Hand, dass die Auswahl von mehreren Einzelwerten einen größeren Aufwand nach sich zieht als das Investment in eine Handvoll Sammelanlagen. Und nicht jeder hat die Zeit und Lust, sich mehrere Stunden pro Woche mit der Börse zu beschäftigen.
Weiterhin muss der Anleger seine Risikobereitschaft klären. Meist denkt man nur an mögliche Gewinne, aber bei jeder Geldanlage gilt, dass höhere Renditechancen auch mit mehr Risiken verbunden sind. Und selbst ein breiter gestreutes Portfolio aus Einzeltiteln birgt mehr Risiken als Sammelanlagen, also beispielsweise diverse ETFs, die einen Gesamtmarkt abbilden. Natürlich sind die möglichen Renditen bei Einzelaktien dementsprechend größer.
Wir kennen dieses Dilemma aus der Praxis unserer Vermögensberatung. Der Kunde möchte vielfach in jene Produkte mit den höchsten historischen Renditen investieren, um dann beim ersten kleinen Wertverlust (Drawdown), den solche Anlagen naturgemäß haben müssen, entnervt bei uns anzurufen, um sich zu erkundigen, ‘was denn los sei…’. Dass solche Schwankungen (Volatilität) ein ganz normaler Teil jeder börsennotierten Geldanlage sind, wird leider oft nicht verstanden.
Abschließend möchten wir noch in Erinnerung rufen, dass man für jede Form der börsennotierten Geldanlage, egal ob es ein aktives oder passives Investment ist, gute Nerven benötigt. Denn alleine die letzten +20 Jahre brachten uns drei Börsencrashs (2000, 2008, 2020) und ob 2022 noch ein gutes Jahr wird oder ob wir auf den nächsten Crash zusteuern, steht in den Sternen. Hält man diese Verwerfungen jedoch aus und – noch besser – nutzt man sie, um gezielt nachzukaufen, stehen hohen Renditechancen nichts im Wege.”
Stefan Waldhauser (High-Growth-Investing)

“Sollte man Einzelaktien oder ETFs kaufen?
Das kommt ganz auf die eigene Persönlichkeit und die Ziele an, die man mit seiner Geldanlage verfolgt: Wer mit möglichst wenig Aufwand eine ordentliche Rendite erzielen will, dem empfehle ich ein ETF Portfolio mit breiter Diversifikation im internationalen Aktienmarkt.
Nur wer bereit ist, regelmäßig etwas mehr Zeit mit seiner Geldanlage zu verbringen, sollte in Einzelaktien investieren. Dann aber immer mit einer klaren nachvollziehbaren Strategie, die man möglichst diszipliniert umsetzen sollte. Auch unerfahrene Anleger fühlen sich oftmals wohl mit einer Dividendenstrategie, bei der ein Vermögenszuwachs nicht nur aus Kursgewinnen resultiert, sondern auch ein möglichst stetig steigendes Dividendeneinkommen generiert wird.
Am spannendsten finde ich persönlich das Investieren in Technologie- und Wachstumsaktien. Das Stock-Picking in diesem Bereich (High-Growth-Investing) erfordert allerdings etwas mehr Erfahrung und man muss heftige Schwächephasen zwischendurch aushalten können, wie viele Aktienanleger in diesem Jahr erstmals erfahren. Zweistellige Renditen sind im langjährigen Durchschnitt mit Tech- und Growth-Aktien dann möglich, wenn man eine Leidenschaft für den Markt entwickelt und Freude daran hat, „seine” Unternehmen als Aktionär wie ein echter Mitunternehmer über Jahre hinweg aufmerksam zu begleiten.
Vom Trading, also dem kurzfristigen Spekulieren mit Aktien, rate ich generell ab. Das ist extrem zeitaufwendig und zahlt sich für die meisten Trader nicht aus. Ich habe noch niemanden kennengelernt, der durch Trading in kurzer Zeit ein Vermögen aufgebaut hat, auch wenn das im Internet gerne suggeriert wird. Erfolgreiches Investieren ist ein Marathon und kein Sprint, egal ob mit ETFs oder mit Einzelaktien.”
Andreas Jansen (andreasjansen.com)

“Aktuell besteht der Hauptteil meines Portfolios aus ETFs und ich stehe Einzelaktien kritischer gegenüber. Der Grund ist nicht, dass ich Einzelaktien für keine gute Investitionsmöglichkeit halte, sondern, dass der Aufwand in Einzelaktien zu investieren oftmals sehr unterschätzt wird.
Eine gute Aktienanalyse eines Einzelunternehmens kann gerne 2-3 Tage dauern, um das Unternehmen im Detail zu verstehen. Die meisten Anleger nehmen sich jedoch die Zeit für eine fundierte Tiefenanalyse nicht und investieren nach Bauchgefühl ohne Investitionshypothese. Daher sollte sich jeder gut überlegen, ob man bereit ist, den Zeitaufwand einer guten Aktienanalyse bei kleineren Investitionen zu investieren.
Bei Investitionen in ETFs habe ich nur eine Investitionshypothese, welche ist, dass ich durch eine breite Diversifikation am globalen Wachstum partizipiere. Dadurch sind ETFs leichter zu verstehen und eignen sich somit besser für Einsteiger und Menschen, die nicht jeden Tag auf ihre Börsenkurse schauen wollen. Bei ETFs habe ich immer eine klare, einfache Investitionshypothese, wodurch ich Zeit spare und mit System investiere. Deswegen würde ich 99 Prozent der Investoren empfehlen, ETFs in ihrem Portfolio zu haben.”
Andree de Boer (Finanzielles Wohlbefinden)

“Für mich ist die Sache eindeutig: ETFs! Warum?
Na, stellen wir uns zwei Räume vor. Im ersten Raum (nennen wir den Raum Alpha) investieren die Anleger in Einzelaktien. Im zweiten Raum (Beta) investieren die Anleger in ETFs. Nach einem bestimmten Anlagezeitraum kommen alle Anleger im Vorraum zusammen. Das konsolidierte Ergebnis der Gruppe aller Anleger ist vor Kosten die Marktrendite, sagen wir 7%.
Die Anleger aus dem Raum Beta werden nach ETF-Kosten alle bei 6,75% liegen. Die Anleger aus dem Raum Alpha werden nach Kosten durchschnittlich bei 5,5% liegen. Davon werden wenige über 7% sein, der Großteil aber deutlich unter 7%.
Bei den wenigen über 7% ist nicht klar, ob das durch statistischen Zufall oder durch Können erreicht wurde. Klar ist aber, dass nach Kosten die Gruppe der Anleger in Raum Alpha weniger Rendite machen als die Gruppe der Anleger in Raum Beta.
Daher wähle ich Raum Beta und damit ETFs. Warum sollte ausgerechnet ich mehr wissen als der Markt, also die Gruppe aller Anleger?”
Laura Kim Kuhlemann (The Rich Girl Club)

“Am Ende lautet die Antwort auf die Frage “Einzelaktien oder ETFs?” ganz eindeutig: Es kommt darauf an. Anfänger*innen oder Investor*innen mit einer moderaten Risikobereitschaft würde ich fast immer zu ETFs raten. Und wenn sie nur die breitgestreute Grundlage eines Portfolios bilden, das dann durch andere Dinge ergänzt wird. Gern auch ETFs mit einem Branchenfokus, wenn man zumindest etwas gezielter investieren will.
Aber Rendite und Risiko gehen Hand in Hand. Wenn ich also mein Risiko verringere – bei ETFs eben durch die hohe Streuung – bedeutet das meist auch eine etwas geringere Rendite.
Einzelaktien können auf der anderen Seite also für mehr Rendite sorgen. Durch höhere Kurssteigerungen, als der breite Markt sie bieten kann oder beispielsweise durch besonders hohe Dividendenzahlungen. Beides ist mit ETFs nur schwer machbar. Gleichzeitig ist das Risiko mit Einzelaktien natürlich signifikant höher. Jemand mit einer höheren Risikobereitschaft, der eine überdurchschnittliche Rendite erzielen will, kann fast nur auf Einzelaktien setzen. Dann aber bitte auf mehrere, beispielsweise zehn gut ausgewählte Unternehmen.
Es hat also beides seine Vor- und Nachteile. Aber zum Glück sagt niemand, dass man nicht auch einen Mittelweg wählen kann.
Ich selbst setzte deshalb auf eine breite Basis mit ETFs. Wie bei einer Pyramide, bilden Weltaktien, also z.B. ETFs auf den MSCI World, die unterste Ebene mit dem größten Volumen. Darauf kommen Branchen-ETFs, z.B. im Technologie- und Energiesektor. Sie bringen schon eine etwas höhere Rendite ein. Die Spitze bilden einige Einzelaktien, die mir teilweise schon in kurzer Zeit ordentliche Renditen bringen konnten, hier steckt aber weniger Geld drin.”
Dr. Jürgen Nawatzki (ETF-Blog.com)

“Während man für die Analyse von Einzelaktien ein spezielles Know-how benötigt – zum Beispiel muss man sich in der Fundamentalanalyse auskennen -, kann man Aktien-ETFs auch als in Geldangelegenheiten unbedarfter Privatanleger kaufen. Darüber hinaus kann ich entweder mit einem Einmalbetrag oder einer regelmäßigen Sparrate im Rahmen eines ETF-Sparplans schon mit kleinen Beträgen – zum Beispiel mit 25 Euro pro Monat – in eine Vielzahl an Aktien investieren.
Und ich habe von Beginn an eine sinnvolle Risikostreuung: Wer beispielsweise in einen Weltaktien-ETF wie den Vanguard FTSE All-World UCITS (USD) ETF Accumulating investiert, beteiligt sich mit jeder Sparrate an über 4.000 verschiedenen Aktien. Und das geht nur mit ETFs, nicht aber, wenn man in Einzelaktien investiert. Deshalb halte ich ETFs für das Gros der Privatanleger für die bessere Wahl als Einzelaktien, die letztlich viel größere Risiken bergen als ein ETF mit mehreren hundert oder tausend Aktien.
Denken wir nur an die Beispiele Deutsche Bank oder VW, wo im ersten Fall Missmanagement und im zweiten Fall der Dieselskandal die Aktienkurse negativ beeinflusst haben. Als Halter von Einzelaktien bin ich in einem solchen Fall wesentlich stärker betroffen als wenn ich ETF-Anteile halte, wo diese Aktien nur Bruchteile von Prozenten ausmachen, wenn der ETF in mehrere Tausend Aktien investiert.
Deshalb lautet meine Antwort auf die ursprüngliche Frage: Die meisten Privatanleger sind mit ETFs wesentlich besser bedient als mit Einzelaktien.”
Oliver Kunz (SimpleMoney)

“Oft erhalte ich diese Frage und meine Antwort bleibt immer dieselbe: ganz klar ETFs. Und dies, obwohl ich selbst ausschließlich in Einzelaktien investiere?! Ja, weil ein aktives Investieren in Einzelaktien sehr viel Aufwand, Wissen und Nerven benötigt. Persönlich macht mir das Analysieren von Kennzahlen, das Durchlesen von Geschäftsberichten und der Austausch von Investmentideen viel Spaß.
Doch für Privatanleger können Einzelaktien zur Falle werden. Studien von J.P. Morgan zeigen ganz klar, dass der durchschnittliche Privatanleger den Markt deutlich underperformt.
Wer also stur und regelmäßig in breit gestreute, passive und kostengünstige Welt-ETFs investiert, erhält die Marktrendite, also eine bessere Performance als der Grossteil der Investoren erzielt.
Dazu ist ein Investment in ETFs sehr simpel und der Zeitaufwand ist gering. Somit kann man sich ganz auf die persönliche Entwicklung und das Steigern des eigenen Einkommens fokussieren, während der Vermögensaufbau auf Autopilot läuft.”